Kommission Zukunft

Jetzt wird sondiert und jetzt ist’s Zeit: die Themen Umwelt und Landwirtschaft müssen die Agenda der Sondierungen und danach der Koalitionsverhandlungen bestimmen. Klimaschutz ist nicht nur Industriepolitik. Daran erinnern jetzt immer mehr Organisationen aus der Landwirtschaft und dem Naturschutz. Und das Neue daran ist: Sie tun es gemeinsam.

Die Vorschläge der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ sollen Teil der Koalitionsverhandlungen werden. Das fordern jetzt in noch nie dagewesener Eintracht der Deutsche Naturschutzring und der Bauernverband. Die Zeit des Verschiebens und Verzögerns soll vorbei sein, die Konfrontation von Landwirtschaft und Naturschutz der Vergangenheit angehören. Achtung Konsumentinnen und Verbraucher: Das könnte dazu führen, dass die Lebensmittel teurer werden, allem voran das Fleisch.

Energiewende ohne Agrarwende: Naturferne Industrielandschaft mit Nahrungsproduktion. So kann die Landschaft der Zukunft nicht aussehen. | Foto: JW Vein / Pixabay

Aufbruch jetzt!

Es ist genau das, was die Beteiligten an den ersten Sondierungen zwischen FDP und Grünen gesagt haben. Um gleich den Chef der Partei zu zitieren, die sich wohl am meisten bewegen muss: „Es kann in Deutschland kein ‚Weiter so‘ geben“, hat Christian Lindner gesagt, „jetzt ist die Zeit für einen neuen Aufbruch!“

Die Zukunftskommission Landwirtschaft, deren Vorarbeit jetzt die Blaupause für die Koalitionsverhandlungen in Sachen Umwelt und Landwirtschaft sein soll, war von der scheidenden Regierung eingesetzt worden, deren Agrarpolitik faktisch nichts vorangebracht hat. Zukunft gab es da nur in Kommissionen. Man darf vermuten, dass die scheidende Bundeslandwirtschaftsminister Julia Klöckner „ihre“ Kommissionen vor allem deshalb so paritätisch besetzte und so frei gewähren ließ, weil sie nie vorhatte, deren Vorschläge umzusetzen. Zuerst erarbeitete das „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert konkrete Vorschläge für den Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland. Dann folgte die Zukunftskommission Landwirtschaft. De ZKL übernahm die Vorarbeit der Borchert-Kommission und ließ die beiden jüngsten Kommissionsmitglieder, die Vertreterinnen von BUND-Jugend und Landjugend einen Aufschlag erarbeiten: die gemeinsame Zukunftsvision Landwirtschaft. Die wurde dann der Nukleus des Abschlussberichts. Und der wurde dann verabschiedet von den Abgesandten der Bauern, sowohl der konventionellen wie der ökologischen Landwirtschaft, von der Lebensmittelindustrie und dem Einzelhandel, von den Umwelt- und Naturschutzverbänden, als auch von der Agrar- und Umweltwissenschaft. Ein einstimmiges Votum für einen neuen Aufbruch, ein klares gemeinsames Ziel für die Agrar- und Umweltpolitik. Das gab es noch nie in Deutschland. Und ich wüsste auch nicht, wo es das anderswo auf der Welt schon gegeben hätte. „Daran kommt keine neue Regierung vorbei“, sagte Jochen Borchert, ehemals Landwirtschaftsminister unter Helmut Kohl, noch kurz vor der Wahl.

Sie kann sich nicht vorstellen, dass sich eine Partei gegen die Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft stellt. Wenn doch, würde sie das „als unmöglich bis frech empfinden“, sagt Myriam Rapior, die Vorsitzende der BUND-Jugend. | Foto: Gert Sanders /BUND

Weitermachen statt „Weiter so“

Nach der Wahl meldeten sich noch ein paar Akteure, die in der Umwelt- und Landwirtschaftsszene einen Namen haben. Jochen Flasbarth, der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, twitterte, dass die Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft Basis der Koalitionsverhandlungen sein müssten. Das wurde in der Landwirtschaftspresse gleich als Anspruch der SPD auf das Agrarministerium gedeutet. Jochen Flasbarth ist nicht irgendein Staatssekretär. Er war Präsident des Naturschutzbundes Nabu und des Umweltbundesamtes, und er hat als Staatssekretär mehrere Ministerinnen kommen und gehen sehen.

Von der anderen Seite hat sich der Agrarprofessor Friedhelm Taube zu Wort gemeldet, Spezialist für Weidetierhaltung und Grasland an den Universitäten Kiel und Wageningen in den Niederlanden. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik der Bundesregierung und war der Umwelt- und Agrarminister im Schattenkabinett des Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther. Tatsächlich Umwelt- und auch Landwirtschaftsminister im Norden wurde dann bekanntlich ein anderer: Robert Habeck. Umso interessanter, dass ausgerechnet den nun Friedhelm Taube als seinen Wunschkandidaten für ein zusammengelegtes Bundeministerium für Umwelt und Landwirtschaft benennt. Die Leistungen des Landwirtschaftsministeriums in der auslaufenden Legislaturperiode nannte Friedhelm Taube im Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag „völlig unzureichend“, Innovationen seien dagegen vom Umweltressort gekommen.

Nichts ist zu Ende. Der Dialog von Naturschutz und Landwirtschaft fängt gerade erst an, sagt die Landjugend-Vorsitzende Kathrin Muus. | Foto: Carina Gräschke / BDL

Die Zukunftskommission Landwirtschaft plant für den 19. Oktober einen vielleicht allerletzten gemeinsamen Auftritt in Berlin. Eigentlich ist die Arbeit der ZKL ja abgeschlossen, viele ihrer ehemaligen Mitglieder aber wollen ihre Vorschläge als Agenda auf den Tisch der künftigen Koalitionsverhandlungen legen. Und einige laufen sich jetzt schon warm. „Wir treten gemeinsam auf, um die neue Koalition dazu zu drängen, den Abschlussbericht der ZKL für die Agrarpolitik zu nutzen“, sagt Werner Schwarz, der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Er war es auch, der den Verband in der Zukunftskommission vertreten hat. Alle Aussagen zur Landwirtschaft in den Wahlprogrammen der Ampelparteien seien unzureichend, alle müssten sich bewegen, wenn der Umbau der Landwirtschaft zu mehr Ökologie und Klimaschutz gelingen soll. Am meisten wohl die FDP, befindet Olaf Bandt, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz BUND, denn der Umbau der Landwirtschaft, „dieser Neustart geht nicht ohne mehr finanzielle Ressourcen.“ Und auch eine Abgabe für die Agrarwende inklusive Umbau der Tierhaltung ist eine Steuer, egal wie man sie nennt. Wenn die nicht kommt, muss der Staat zahlen, weshalb er wohl neue Schulden machen muss. Beides will die FDP nicht. Wir dürfen gespannt sein auf die semantischen Nebelkerzen, die den finanziellen Umbau verschleiern, der mit der Agrarwende einher gehen muss. Wenn die denn kommt.

Unterdessen scheint die Zukunftskommission Landwirtschaft die Fortführung ihrer Arbeit beschlossen zu haben, auch wenn es die Regierung, die sie beauftragt hatte, bald gar nicht mehr gibt. So jedenfalls hat sich Prof. Kai Niebert geäußert, der Präsident des Deutschen Naturschutzrings. Und die beiden Jugendvertreterinnen in der Kommission unterstützen ihn. „Mit dem Ende der ZKL hört nicht etwas Großes auf, sondern es ist der Anfang von etwas noch Größerem“, sagt die BUND-Jugend-Vorsitzende Myriam Rapior. Und die Landjugendvorsitzende Kathrin Muus ergänzt: „Die ZKL ist noch lange nicht zu Ende, der Dialog fängt gerade erst an.“