Letztens bin ich an einem Acker vorbeigefahren, der gerade gepflügt wurde. Hinter dem Trecker staksten fünf Störche durch die Furchen – auf der Suche nach Mäusen. Ein schönes Bild. Wenn es den Störchen gut geht, geht es auch der Landschaft gut. Denken wir. Denn die Störche sind uns eingebrannt als eine Art, die eben das anzeigt: intakte Landschaft mit Feuchtgebieten.
Für blühende Landschaften steht eine andere Art: die Biene. »Rettet die Bienen!« war der Aufruf überschrieben, der 2019 zum bis dato größten Volksbegehren in Bayern führte. Gemeint war die Westliche Honigbiene, die dank der Imkerei nicht zu den gefährdeten Arten zählt, aber eben das Symboltier für blühende Landschaften ist.
Symboltier Biene
1912 erschien Waldemar Bonsels Kinderbuch »Die Biene Maja und ihre Abenteuer«. Mit der japanischen Comicserie aus den 70er Jahren feierte die Biene dann ihr Comeback als Herzenstier.
Mit dem positiven Image könnte es nun allerdings vorbei sein, denn der Naturschutz hat die Honigbiene als Nahrungskonkurrent für die vielen gefährdeten Arten von Solitärbienen ausgemacht Das sind die einzeln lebenden Bienen, von denen wir in Deutschland über fünfhundert Arten haben – und von denen viele bedroht sind. Auch weil ihnen die Honigbienen den Nektar und die Pollen weg-sammeln. Sagt der Naturschutzbund Nabu zum Beispiel.
Wie jetzt – der Naturschutz gegen die Biene? Die Imkerinnen und Imker und die Honig essenden Verbraucherinnen und Verbraucher als Gefahr für die Insektenwelt? »Das Maja-Syndrom« habe ich diesen Podcast genannt.
Studienlage fifty/fifty
Fangen wir mit den Fakten an, oder mit dem, was dazu bekannt ist, was erforscht wurde. Im Nabu-Standpunkt »Honigbienen in Naturschutzgebieten« schreibt der Naturschutzbund, dass die meisten Studien über die Wirkung von Honigbienen auf Solitärbienen im gleichen Lebensraum negative Effekte erkennen.
Gleichzeitig mit dem Standpunkt des Nabu, der letztlich nur noch wenige oder gar keine Bienenvölker in Naturschutzgebieten mehr dulden will, erschien in diesem Jahr das jüngste populärwissenschaftliche Buch des Verhaltens- und Bienenforschers Jürgen Tautz. Der Würzburger Professor kommt zu einem ganz anderen Schluss, obwohl beide dieselbe Metastudie zu Rate gezogen haben, eine die weit über hundert Studien gesichtet hat, die zur möglichen Konkurrenz von Honigbienen und Solitärbienen verfasst wurden. »Wenn wir einen Imker fragen, wie es um die Wechselwirkungen zwischen beimkerten Honigbienen und wilden Solitärbienen steht, werden wir eine eindeutige Antwort hören. Und ein Naturschützer würde uns auch eine eindeutige Antwort geben«, sagt Jürgen Tautz. Die Antworten werden sich widersprechen. »Und jeder hat Recht unter bestimmten Bedingungen. Und jeder hat nicht Recht unter anderen Bedingungen.«
Die Studien widersprechen sich nämlich auch – so wie die Imker und die Naturschützer. Die Hälfte erkennt einen negativen Einfluss von Honigbienen auf Solitärbienen, die andere Hälfte nicht; manche Studien dokumentieren sogar einen positiven Einfluss von Honigbienen auf die Vielfalt der besuchten Pflanzen und die Nahrungsquellen der Solitärbienen.
Jürgen Tautz hat das kurz zusammengefasst in seinem jüngsten populärwissenschaftlichen Buch das den seltsamen Titel trägt »Auch Bienen haben Schweißfüße«. Das bezieht sich darauf, dass Bienen mit den Duftdrüsen an ihren Beinen Blüten markieren, so dass nachkommende Sammlerinnen wissen, dass hier schon eine von ihnen war. Wenn neuer Nektar nachgewachsen ist, ist der Duft dann verflogen. Eine der vielen staunenswerten Fähigkeiten der Honigbienen, die sie in diesem Fall mit Hummeln teilen.
Was die Honigbienen nicht mit den Hummeln teilen, ist ihre Blütentreue. Wenn im Frühjahr die Äpfel blühen, dann fliegen die Honigbienen von Apfelblüte zu Apfelblüte – und machen nicht zwischendurch einen Abstecher zum Löwenzahn. Oder sie sammeln nur am Raps, oder dann im Spätsommer nur an den Lindenblüten. Sonst gäbe es ja keinen Rapshonig und keinen Lindenhonig.
Massensammler Honigbiene
In Hannover habe ich Imkermeister Hartmut Münch besucht, als er gerade einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern seine Bienen erklärte. Im großen Gartengelände vor der Volkssternwarte auf dem Lindener Berg stand er und hielt ein Wabenrähmchen hoch. Eben hatte er es aus einem seiner Bienenkästen genommen. Auf den Waben tummelten sich dicht an dicht die Arbeiterinnen, viele von ihnen mit gelbem Pollen an den Höschen der Hinterbeine. Hartmut Münch, der Vorsitzende der Initiative »Hannover summt«, nahm die Gelegenheit wahr, die behauptete Konkurrenz von Honigbienen und Solitärbienen aus seiner Sicht zu erklären.
Die gelben Pollenhöschen seiner Bienen wiesen darauf hin, dass das Volk gerade in der Goldrute sammelte. Vor kurzem war das noch die Clematis, die Waldrebe, die überall in den Gärten und Parks auf dem Lindener Berg blühte. Auch jetzt blühte noch vereinzelt Clematis, sogar direkt neben dem Bienenstand. Sie wurde aber nicht mehr besammelt von den Honigbienen, weil die nur auf wirklich ergiebige Trachten fliegen. Einzelne Blüten sind ihnen egal.
»Schon deshalb gibt es die behauptete Konkurrenz zwischen Honigbienen und Solitärbienen nicht«, sagt Hartmut Münch. Die Honigbienen interessieren sich nicht für die wenigen blühenden Natternköpfe oder Glockenblumen, auf die einzelne Solitärbienen spezialisiert sind. Sie sammeln erst, wenn es sich für sie wirklich lohnt. Und dann sind so viele Blüten da, dass auch die Solitärbienen genug Pollen und Nektar finden.
Hartmut Münch sind an einem Bienenstand sogar einmal Bienenvölker verhungert, weil es sich aus Sicht der Bienen nicht lohnte, die wenigen Blüten draußen zu besammeln. Da blieben sie lieber im Stock – bis es dort nichts mehr zu fressen gab. »Und das im Wonnemonat Mai«, sagt der Imker. Und das neben einer extra für Insekten eingesäten Brache, auf der aber noch nicht genügend blühte. Und in diesem Jahr war auch kein Rapsfeld für die Bienen erreichbar.
»Ich war entsetzt, als ich da hinkam. Da fühlt man sich ja als ganz elender Imker.« Aber so sei das eben: die Honigbienen fliegen erst aus, wenn es wirklich was zu holen gibt. Dann aber können sie in wenigen Tagen kiloweise Honig produzieren, Vorrat für Wochen und sogar Monate.
»Wir teilen alles, bis zum letzten Tropfen. Bei uns verhungern nicht die Schwachen zuerst. Wir verhungern alle gleichzeitig, unser ganzes Volk«, sagt eine Sommerbiene mit der Stimme von Nellie Thalbach im preisgekrönten Dokumentarfilm »Tagebuch einer Biene«.
Hungerlandschaft
Und verhungern würden in unseren ausgeräumten Landschaften sicher auch viele Honigbienenvölker, wenn die Imker sie am Ende nicht doch füttern würden. Einer, der in einer großflächig von industrialisierter Landwirtschaft geprägten Landschaft seine Bienen durchbringen muss, ist der Demeter-Imker und Biologe Mirko Lunau, den ich schon für den Podcast und die Kolumne zum »Nutztier Honigbiene« besucht hatte. Während Hartmut Münch in vielfältiger städtischer und stadtnaher Umgebung seine Bienen hält, beobachtet Mirko Lunau die Entwicklung auf dem Land im Nordosten Deutschlands.
»Gerade in Mecklenburg, wo ich imkere, waren vor der Wende die Völkerzahlen viel höher als heute«, sagt er. Die Imker wurden gebraucht in der DDR, die Bestäubungsleistung ihrer Bienen wurde gebraucht. In den 35 Jahren seitdem habe sich die Landschaft um ihn herum allerdings dramatisch verändert. Es gibt zwar viel mehr Rapsfelder als früher, der Raps aber brauche keine Bestäubung durch Bienen mehr. »Die Rapszüchter arbeiten daran, dass der Raps mit Windbestäubung zurechtkommt, weil man so viele Bienenvölker gar nicht hierherstellen könnte, wie die Rapsfelder bräuchten.« Und wenn der Raps dann verblüht ist, sei die Landschaft schlicht grün. Für die Bienen eine Wüste. Nichts blüht mehr. Diese Stresssituation gab es in der DDR für die Insekten nicht, weil die Wegraine nicht so sauber waren, weil es in den Äckern, auch im und unter dem Getreide geblüht hat, und weil auch die Wälder weniger aufgeräumt waren und zum Beispiel Brombeeren zur Verfügung gestellt haben.
»So wie wir die Landschaft verändert haben in den letzten Jahrzehnten, auch durch den Einsatz von Totalherbiziden wie Round-up, produzieren wir Stress und Hunger bei den Insekten – und damit die Konkurrenz um die Blüten.«
Das sieht der Nabu allerdings auch so, ein bisschen wenigstens. »Die Imkerei hat in Deutschland eine lange Tradition und sollte weiterhin gewinnbringend sein«, schreibt er in seinem Standpunkt zur Konkurrenz von Honig- und Solitärbienen. Wobei dieser Satz schon einen Haken hat, denn die Imkerei ist in Deutschland schon längst nicht mehr gewinnbringend möglich. Keiner der Imker und keine der Imkerinnen, mit denen ich gesprochen habe, kann vom Honig leben.
Bienen-Ideologie
Beim Nabu heißt es dann weiter: »Jedoch kann die Lösung nicht sein, Honigbienen aus den ausgeräumten Landschaften in die Naturschutzgebiete zu verlagern, sondern eher gemeinsam darauf hinzuarbeiten, dass wir wieder mehr Strukturvielfalt, Nahrungs-angebot und Nistmöglichkeiten in der Landschaft haben. Demzufolge ist eine Zusammenarbeit, offene Dialoge mit der Imkerei und Aufklärungsarbeit der beste Weg, um hier eine Verbesserung für gefährdete Wildbienen-Arten zu erreichen.«
Ob das helfen wird – Aufklärungsarbeit mit einer einseitigen Interpretation der Studienlage? Die Bienenforscherin Dorothea Brückner von der Universität Bremen hat da ihre Zweifel. »Wir Grundlagenforscher können da nur erstaunt zuschauen«, sagt sie. »Der Einfluss den man selber nehmen kann, damit es faktenbasiert diskutiert wird, ist minimal.« Die Wechselwirkungen und möglichen Nahrungskonkurrenzen von Honigbienen und Solitärbienen tauge nicht zum ideologisch aufgeladenen Thema, das aggressiv ausgetragen werden müsse.
Einer derjenigen, die sehr forsch mit dem Thema Honigbiene umgehen, ist im Podcast und im Blog »Wildtier Honigbiene« ausführlich zu Wort gekommen: Torben Schiffer, der mit dem Schiffertree einen Ersatz für die in unseren Wirtschaftswäldern fehlenden Baumhöhlen geschaffen hat. Künstliche Nisthöhlen für wildlebende Honigbienen sind aber nicht wirklich eine Überlebenshilfe. »Im Schiffertree sterben die Honigbienenvölker nach längstens drei Jahren an hohem Befall durch Varroamilben«, sagt Mirko Lunau, der in seinem Garten und seinen Streuobstwiesen mehrere der Nisthilfen aufgehängt hat.
Es ist eben nicht so, dass die Honigbiene die aggressive Konkurrentin der Solitärbienen ist. Sie ist selbst Opfer der verarmten Nutzlandschaften und − was die Varroamilbe angeht – der Globalisierung, denn die Milbe kommt aus Asien.
»Das Thema ist aktuell«, sagt Dorothea Brückner, »es wird beforscht.« Es sei allerdings sehr schwer, in der Natur zu quantitativen Daten zu kommen und sehr schwer, nachzuweisen, ob und dass es eine Schädigung im Nest von Solitärbienen gebe, wenn man sie zusammen mit Honigbienen auf einer Blüte beobachte. »Bei unserem Lehrbienenstand an der Universität Bremen haben die Solitärbienen kein Problem damit, die für sie aufgestellten Nisthilfen direkt in der Flugbahn der Honigbienen anzunehmen. Es gibt keine Aversion oder Aggression zwischen den Individuen der beiden Gruppen. Und das ist in der Natur eigentlich ein gutes Zeichen dafür, dass es keine lebensbedrohende Existenzfrage gibt, die durch Konkurrenz um Nahrungsressourcen verursacht wäre.« Für die Bienenforscherin ergibt sich aus den einzelnen Beobachtungen »keinerlei Gesamtbild, was rechtfertigen würde zu sagen, die Wildbienen sind durch die Honigbienen so bedrängt, dass ihr eigenes Wohlbefinden und Aussterben davon abhängt.«
Wildbiene versus Honigbiene
Was soll das eigentlich mit der Unterscheidung zwischen Nutztier Honigbiene und Wildtier Solitärbiene, sagt an solcher Stelle Imkermeister Hartmut Münch gemeinhin. Für ihn ist erstens die Honigbiene weiterhin ein Wildtier, weil das mit der Bienenzucht eine Schimäre sei. Honigbienen haben sich allen Versuchen widersetzt, sie zu domestizieren. Schon deshalb ist für ihn das Wort Wildbiene nichts anderes als ein Kampfbegriff. Was besonders verblüfft, wenn man weiß, wer den Begriff kreiert hat und warum.
Es war der renommierte Bienenforscher Paul Westrich, erzählt Hartmut Münch, und betont, dass er dessen Arbeit sehr schätze. Aber die Geschichte geht so: Paul Westrich forschte als junger Wissenschaftler am Bieneninstitut Oberursel ausführlich zu Solitärbienen. Nach langer Forschungsarbeit ging ihm dann aber das Geld aus. Er hätte nicht weitermachen können, wenn ihm nicht zwei Angebote gemacht worden wären. Das erste: Forsche zu Wildtieren, dafür ist noch Geld im Topf. Das zweite: Kreiere einen Zusammenhang zu Baden-Württemberg, auch dafür gibt es noch Forschungsgeld. So kam es, dass Paul Westrichs Wissenschaftsbestseller von 1989 »Die Wildbienen Baden-Württembergs« heißt. Und damit war das Wort Wildbiene im Umlauf, inzwischen ergänzt durch das ebenfalls in mehrfacher Auflage erschienene Buch »Die Wildbienen Deutschlands«.
»Und wenn es eine Wildbiene gibt, dann muss es ja auch eine Hausbiene geben«, sagt Hartmut Münch. Und tatsächlich findet sich in der Imkerliteratur das Wort und es gibt sogar eine Netzseite, die so heißt. »Es gibt auch Imker, die sich Bienenzüchter nennen und davon sprechen, dass sie Bienen gezüchtet haben.« Das sei ein Missverständnis oder eine sprachliche Überheblichkeit, denn in Wahrheit haben sie die Bienen nur gezogen. Auch das Bieneninstitut Celle habe eine Weile behauptet, mit der sogenannten Celler Linie eine eigene Bienenzucht angelegt zu haben.
Angeboten wurden sogenannte Reinzucht-Königinnen der vom Balkan stammenden Unterart der Carnica-Honigbiene. Die waren auf den deutschen Inseln mit Carnica-Drohnen besamt worden. Besonders friedfertig sollten die Bienen sein – ein gutes Argument für Hobbyimker, die ihre Völker in Kleingartenanlagen halten wollten. Und besonders fleißig sollten sie sein – ein gutes Argument für Imker, die sich ausmalten, irgendwann vom Honigverkauf leben zu können.
Am Ende löste sich das Ganze in PR-Luft auf. Die Bienenforscher selbst stellten fest, dass sowohl von anderen Inseln als auch vom Festland Drohnen herbeigeflogen waren, die ihre angeblich so isoliert aufgestellten Königinnen begatteten.
Biologisch gesehen ist das genau das, was die Bienenkönigin will − sich mit möglichst vielen Bienenmännern einlassen. Das nämlich sorgt für genetische Vielfalt in ihrem späteren Volk, und das wiederum für Resilienz gegenüber Krankheiten. Promiskuität ist Überlebensstrategie. Und diese unbändige Kraft der Sexualität der Honigbienen haben wir Menschen bislang noch nicht überwinden können. Manche Züchter, die wirklich solche werden wollen, versuchen es mit künstlicher Befruchtung. Der Imker, der eine solche Kunstkönigin kauft, hat sie aber schon in der nächsten Generation verloren, weil sich ihre Nachkommen mit allen dahergeflogenen Drohnen einlassen.
Eigentlich schön, dass es ein von uns genutztes Tier gibt, dass sich der Domestizierung erfolgreich widersetzt.
Landschaftspflege
Aber was ist nun mit der behaupteten Konkurrenz zwischen dem Wildtier Honigbiene und dem Wildtier Solitärbiene? Der Biologe und Demeter-Imker Mirko Lunau sagt, dass man Imker eher als Pfleger der Kulturlandschaft sehen sollte. Seine Bienen nämlich verändern die Landschaft, sie bereichern sie. Und das hilft am Ende auch den Solitärbienen. Das liegt daran, dass die Bestäuber die Pflanzenwelt beeinflussen.
»Wenn ich einen Bienenstand aufmache, wo vorher keine Honigbienen waren, dann sehe ich, wie die Bienen über die Jahre die Landschaft verändern. Im Laufe der Zeit blüht die Landschaft auf, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Blumen produzieren ja mehr Nektar, wenn sie von Bienen besucht werden.« Und entsprechend gibt es dann auch mehr Samen und mehr Nachwuchs.
Zu dieser Beobachtung gibt es übrigens eine wissenschaftliche Studie, die völlig unwidersprochen ist und keine Parallelstudien hat, die das Gegenteil behaupten. Die Pflanzen versuchen sich attraktiv zu machen für die Bestäuber und die Bestäuber beeinflussen die Pflanzen. Das erste ist eine evolutionäre Entwicklung und damit sehr langsam. Das Zweite ist eine kurzfristige Entwicklung, die wir in der Zeitspanne eines Menschenlebens gleich mehrfach beobachten können.
Die ETH Zürich hat dazu eine Studie gemacht, die verblüffende Ergebnisse brachte. Die Forscherinnen und Forscher haben eine Gruppe Rübsen unter Laborbedingungen nur von Schwebfliegen besamen lassen und eine andere Pflanzengruppe nur von Hummeln. Dann haben sie die so entstandenen Samen ausgesät und wieder nur von Schwebfliegen und nur von Hummeln befliegen lassen. Und schon nach acht Pflanzengenerationen sahen die zwei Gruppen Rübsen völlig unterschiedlich aus. Die Insekten züchten sich also die Pflanzen, die zu ihnen passen.
Rübsen sind übrigens keine Rüben, sondern eine gelb blühende Pflanzenart aus der Gattung Kohl. Und die Rübsenstudie der Universität Zürich erklärt eigentlich ganz allgemein, dass sich die Pflanzen an ihre hauptsächlichen Bestäuber anpassen. Die Evolution ist niemals abgeschlossen. Sie findet statt – hier und jetzt.
Was die Rübsenstudie aber auch zeigt, ist genau das, was Mirko Lunau sagt: Wenn wir eine, vielleicht die wichtigste Art der Bestäuber, ausgerechnet aus den Naturschutzgebieten raushalten, weil wir da gerade in ideologischen Grabenkämpfen verhaftet sind, dann tun wir uns und unseren Landschaften keinen Gefallen. Es gibt keine unberührten natürlichen Ökosysteme mehr bei uns. Es gibt keine Gegenden, wo etwas besser wird, wenn wir uns raushalten und die Natur einfach mal machen lassen, weil es die unberührte Natur so gar nicht mehr gibt. Wir müssen uns als Landschaftspfleger verstehen und agieren wie der sprichwörtliche »gute Gärtner«. Und das auch in den größeren Gärten, die wir Naturschutzgebiet nennen.
Weiter imkern?
So – und nun? Nun halten wir uns vielleicht an das, was Professor Jürgen Tautz vorschlägt: Raus aus den Gräben und rein in die Diskussion, weg von der Ideologie, hin zu dem konkreten Blick auf das, was wir von Landschaft noch übriggelassen haben.
»Es gibt keine Lösung im Streit um die Honigbiene in dem Sinne, dass am Ende eine Auffassung die richtige wäre«, sagt Jürgen Tautz. »Aber für jeden konkreten Fall, für jede konkrete Region gibt es konkrete Lösungen. Und die finde ich nicht, indem ich aufeinander schimpfe oder die Honigbienenvölker verschwinden lasse, sondern indem ich Zeit und Geduld investiere.«
Es braucht Zeit und Geduld, zwei Dinge, die gerade kaum noch jemand investieren will. Und das dann auch noch gepaart mit Verantwortungsbewusstsein und Respekt füreinander, letztlich mit Zusammenarbeit. Letzteres schlägt ja auch der Nabu in seinem Standpunkt zur Honigbiene vor. Die Imkerei soll ja in Deutschland auch weiterhin möglich sein, obwohl die Imkerinnen und Imker irgendwie in Verruf geraten sind.
Übrigens nicht nur bei den Naturschützern. Auch bei den Landwirten sind die Imker längst nicht mehr beliebt. Sie sind es ja schließlich, die seit Jahren gegen den Pestizideinsatz vorgehen, die gegen immer neue Nicotinoide kämpfen und letztlich auch gegen Glyphosat.
In den Jungimkerkursen wird dem Nachwuchs bis heute erzählt, dass die Bauern die Imker bräuchten. »Stimmt nicht mehr«, sagt Hartmut Münch, »die Bauern können uns gar nicht brauchen.« Sein Beispiel ist der Raps. Die neuen Sorten sind von den Züchtern – wie schon erwähnt − einerseits so optimiert, dass sie zunehmend nur mit Windbestäubung auskommen. Andererseits können Bienen am Rapsfeld durch ihre Bestäubungsleistung sicher immer noch einen höheren Ertrag bewirken. Nur gibt es da eben das Problem, dass man am Ende im Honig nachweisen kann, was so alles auf einem Rapsfeld zum Einsatz kam. Er sei mit seinen Bienen von einem Landwirt schon mal vom Rand eines Rapsfeldes verjagt worden.
Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb manche Obstanbaubetriebe lieber gezüchtete Hummelvölker für mehrere hundert Euro kaufen und sie in ihren Plantagen positionieren, anstatt einen Imker zu bitten, umsonst seine Bienenvölker aufzustellen. Hummeln hinterlassen keinen Honig, der auf Rückstände überprüft werden könnte.